Montag, 24. August 2015

WILLKOMMEN IM SHOPPING DILEMMA

Eigentlich wollte ich heute über tolle Adressen für Basics schreiben (Mache ich auch noch. Versprochen!). Aber je länger ich darüber nachgedacht habe, welche Shops und Marken ich guten Gewissens empfehlen kann, desto unsicherer wurde ich. Für jeden auch nur ansatzweise kritisch denkenden Menschen sind Shoppen und Mode einfach keine unverfänglichen, rein unterhaltsamen Themen mehr. Wenn ich hier eine Empfehlung ausspreche, dann möchte ich voll und ganz dahinter stehen können. Leider wird das immer schwieriger. Woran erkennt man, was wirklich "gut" ist, im Sinne von Qualität, Herkunft und Preis-Leistungs-Verhältnis? 

Ein hoher Preis ist keine Garantie für gute Qualität, wie man inzwischen weiss. Teure Labels lassen ihre Kleidung in den selben Fabriken nähen wie günstige Highstreet Ketten. Sogar Marken, die eigentlich für Luxus und Couture stehen, lassen billig im Ausland produzieren und nehmen für geringe Produktionskosten gerne unmenschliche Arbeitsbedingungen in Kauf. Eigentlich ist es ja komisch, dass jemals angenommen wurde, es sei anders. Warum sollte wirtschaftlich kalkuliertes Denken und Handeln vor namenhaften Modehäusern halt machen? Vielleicht weil hier nicht so offensichtliche Massen produziert werden. 

Bei H&M & Co. beschleicht einen ja schon beim Betreten des Geschäfts das Gefühl, dass all diese Berge von Klamotten einfach nicht in Ordnung sein können. Das verrät allein der oft leicht chemische Geruch, der von den zwanzig Exemplaren einer einzigen Hose ausgeht, die in hundert anderen Filialen in derselben Stückzahl hängt. Also sage ich mir "Nein. Das will ich nicht mehr!" und bestelle eine teure Markenjeans. Aber die riecht beim Auspacken genauso chemisch und färbt obendrein noch meinen Lieblingsmantel schlumpfblau. Dann gibt es Labels wie FTC oder Armed Angels, die sich für vernünftig produzierte Mode stark machen. Den höheren Preis für fair gehandelte und produzierte Kleidung würde ich ja gerne noch bezahlen, aber meistens scheitert es daran, dass das Sortiment aus Kapuzenpullis und T-Shirts mit ulkigen Motiven besteht.

Was tun? Nackt gehen ist in unserer westlichen Gesellschaft eher verpönt, also auch keine Alternative. Wäre im Winter ja auch viel zu kalt. So wird eine harmlose Shoppingtour zu einem Dilemma ohne Ausweg. Weniger kaufen ist ein viel gepriesener und sicher auch vernünftiger Ansatz. Aber ich verwöhne mich eben gerne mal mit einer Kleinigkeit oder stöbere bei einem Shoppingbummel durch die Geschäfte - was hier in Konstanz bedeutet, dass man bei Zara und H&M reinschaut. In den meisten Einkaufsstraßen in deutschen Städten sieht es nicht anders aus. 

Ach, so vieles müsste sich ändern. Ich wünsche mir mehr Diversität und Transparenz von den Geschäften und Onlineshops. Ich wünsche mir, dass Kleidung wieder als ein Stück Handwerkskunst, als ein Produkt mit einem bestimmten Wert wahrgenommen wird. Nicht mehr als Wegwerfgegenstand. Ich wünsche mir, dass Konsumenten den Preis und die Herkunft von Kleidung besser nachvollziehen und damit eine fundierte Kaufentscheidung treffen können. Ich wünsche mir auch mehr Unternehmen, die klassische Basics wie Blazer und Blusen nachhaltig und fair produzieren. 

Letzten Endes wünsche ich mir auch für mich selbst die Standhaftigkeit, öfter "Nein" zu sagen. Weniger zu kaufen, öfter zu verzichten und mich an dem zu erfreuen, was ich besitze. Das ist mein fester Vorsatz für die Zukunft. Denn ich bin auch der Meinung, dass gerade Menschen, die über Mode schreiben, eine Verpflichtung haben, dieses Thema mit kritischem Verstand zu behandeln, anstatt den unbedarften Shopping-Animateur zu geben, der jeden Tag für ein neues Produkt die Werbetrommel rührt. Sicher keine leichte Aufgabe, aber ich werde mir Mühe geben.

6 Kommentare:

  1. Welch schöne Worte,
    du hast den Nagel auf dem Kopf getroffen! Mir geht es auch so. Generell wäre ich bereit, mehr Geld für Qualität und Fairness auszugeben. Aber ich denke, Konsumenten sind in dem Schritt weiter als die Industrie. Wie soll man das erkennen, ohne auf greenwashing hereinzufallen? Wo kann man sich Inspirationen holen?
    Ich versuche momentan wirklich, lange über die Dinge nachzudenken die ich mir kaufe. Versuche auf synthetische Inhaltsstoffe zu verzichten (es ist wirklich nicht einfach einen Pullover aus rein pflanzlichen oder natürlichen Inhaltsstoffen zu bekommen). Doch die Versuchung ist auch einfach oft zu groß.
    Ich bin auf den Blog dariadaria gestoßen, sie versucht seit Anfang des Jahres komplett vegan zu legen und als Modebloggerin nachhaltiger zu leben. Dabei schreibt sie auch von den Schwierigkeiten, das ist sehr schön. Dabei bin ich auch schon auf die ein oder andere "fairere" Firma gestoßen.

    Vielleicht könntest du einfach auf dem Blog eine Reihe starten, mit bspw. deinen "alten" Lieblingen, die du neu kombinierst oder von hochwertigen Teilen, auf die du lieber sparst aber dafür länger benutzt.

    Schön, dass du dich diesem Thema widmest

    LG Eliza

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  2. Ich finde es toll, dass du diesen Artikel geschrieben hast. Es ist nicht leicht, wenn man Wert auf schöne Kleidung, schöne Einrichtung usw. legt. Denn fängt man an, über die Kleidung nachzudenken, dann geht es immer weiter...Kosmetik, Möbel, Lebensmittel...es ist aber natürlich gut, irgendwo anzufangen. Allerdings...wenn ich darüber nachdenke, wie der H&M Pullover produziert wurde, ihn dann aber trotzdem kaufe, ist auch niemandem geholfen.

    Ich freu mich schon darauf, deine Entwicklung in dieser Richtung auf dem Blog weiter zu verfolgen. Aber Achtung...lass dich nicht von den Leuten irritieren, die dich in Zukunft für deine Kleidungsstücke kritisieren, die nicht fair und bio sind. Denn schreibt man einmal darüber, dass man sich Veränderung wünscht und kleine Schritte unternehmen will, so werden ganz schnell die Leute laut, die selbst nichts dergleichen tun und dich dann aber umso stärker kritisieren.

    Liebe Grüße
    Nina

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  3. PS: Für Basics ist Armedangels aber wirklich super ;-)

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  4. Absolut richtig. Aber was Ftc angeht - Kapuzenpullis und ulkige Motive? Ich kaufe nahezu 90% meiner Kashmirpullis bei Ftc und finde die konservativen, klassischen Pullis, Strickjacken und Capes traumhaft. Nichts mit ulkigen Motiven ;-)

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    1. Da gebe ich dir absolut recht. Das bezog sich auf die Pullis und Shirts bei Armed Angels. Mein Fehler! Ich liebe die Pullis von FTC!

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  5. Hast Du schonmal daran gedacht, selbst zu nähen? Du wirkst wie jemand, der gern präzise arbeitet, und hast Geschmack. Selbstgenähtes muss nicht immer schlabberig im Ökolook daherkommen, und Du könntest sicher sein, dass unter guten Bedingungen genäht wurde.

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